Freitag, 14. Juni 2013

Wissen

Nicht darin besteht Weisheit, soviel wie möglich zu wissen. Die
menschliche Weisheit besteht im Erkennen der Reihenfolge, in der es
nützlich ist, die Dinge zu wissen; sie besteht in der Fähigkeit, die
Erkenntnis nach dem Grad ihrer Wichtigkeit zu ordnen.

Lew Nikolajewitsch Tolstoi


Dass durch Erhöhung der Mobilitätskosten zentripetale Kräfte wirken, welche agglomerationsfördernde Effekte mit sich ziehen, ist mir nun bekannt. Dass dieses Wissen auf den ersten Blick nichts mit meiner Leidenschaft, dem Angeln, zu tun hat ist richtig. Wirft man jedoch einen zweiten Blick darauf, muss man leider feststellen, dass sehr wohl ein indirekter Zusammenhang besteht. Die Zeit. Sie fällt momentan meiner Fachliteratur zu diversen Wirtschaftsthemen zum Opfer. Der Juni ist da und mit ihm auch die Prüfungszeit. Wie eine Reihe wartender Briten vor dem Bus, machen sie sich in meinem Leben breit um schön regelmäßig einzusteigen. Anstelle von Sonnenuntergängen, und Brutalläufen am Wasser, stehen mir Bücher, Skripten und Powerpointfolien zur Seite und begleiten mich ständig.

Das Gefühl, als ich eine kleine freie Lücke in meinem Terminkalender erblickte, war unbeschreiblich. Direkt nach einer Prüfung sollte es ans Wasser gehen. Zwar nur für eine Nacht, aber immerhin. Die Sachen wurden gepackt und Anna war auch nicht unbedingt abgeneigt, dem Stadtlärm etwas zu entkommen.

Und so saßen wir im Boot und machten uns auf, um ein kleines Abenteuer zu erleben, welches uns den Alltag versüßen sollte. Am Platz angekommen wurden erstmal die Montagen an die Krautkanten befördert und unser kleines Camp aufgebaut.


Vielmehr als zwei Ruten und den Bedchairs brauchten wir für diesen Kurzansitz nicht. Ich liebe es mit wenig Tackle am Wasser sein zu können. Alles geht dann einfach viel schneller von der Hand. Bei den vorherrschenden Wetterbedingungen ließen wir das Zelt Zelt sein und zogen es vor unter freiem Himmel zu nächtigen. Bei einem gebratenen Hühnerfilet auf Salat ließen wir es uns in der Sonne gut gehen.


Die Zeit verging wieder einmal wie im Flug und alle quälenden Gedanken an die bevorstehende Büfflerei waren verflogen. Und so meldete sich auch schon das erste Mal einer der Bissanzeiger. Mit der Rute in der Hand sprang ich ins Boot um so schnell wie möglich den Raum zwischen mir und dem Fisch zu minimieren. Bei dem vorherrschenden Verkehr der Ruderer, Tretbootfahrer und Segler konnte der Drill schneller zu Ende sein als mir lieb war. Ich schlängelte mich zwischen den anderen Booten durch und konnte kurze Zeit später meinen ersten Fisch der Session über den Kescher bugsieren. Es handelte sich um einen markanten Karpfen mit einer großen Narbe an der Flanke. Nach den obligatorischen Fotos durfte er natürlich wieder zurück in sein Element. 


Überglücklich, endlich wieder einen Karpfen in den Händen gehalten zu haben, sank ich auf meine Liege und genoss die letzten Sonnenstrahlen. Die Nacht vertrieb den Tag und die Quälgeister, welche zuvor noch ihr Unwesen am Wasser trieben. Anna und ich verplauderten uns und schnell war es kurz vor 22:00. Die einzigen Geräusche die noch zu hören waren, war das Summen der Gelsen und die Laute der Biberfamilie, welche direkt an meinem Swim wohnte. Die melodischen Klänge machten uns müde und kaum legten wir uns hin um zu schlafen, schrie der ATTs um sein Leben. Mit geschlossener Bremse der Daiwa, fuhr ich dem Fisch entgegen, welcher noch immer keine Anstalten machte, stehen zu bleiben. Schließlich entschied er sich dazu einen Stop im Kraut zu machen. Ich hielt die Spannung und wartete etwas. Ich wollte nicht zu viel Druck machen und hoffte darauf, dass sich der Fisch selbst befreit. Mein Plan ging auf und kurz darauf zog der Fisch wieder Bahnen um mein Boot. Der Karpfen hatte Ausdauer und zog mich über das alte Flussbett der Donau. Keine Frage, es war einer der Guten, der dem fruchtigen Aroma der White Pineapple Boillies nicht widerstehen konnte. Immer wieder flüchtete er in die Krautfelder bevor ihn die Keschermaschen umschlossen. Meinen Freudenschrei hörte auch Anna, die am Ufer stand und sich schon fragte was da so lange dauerte. Erst als Anna einen Blick in den Kescher machte, verstand sie den Grund. Ein Brett von einem Schuppenkarpfen machte sich auf meiner Abhakmatte breit und füllte sie in alle Richtungen aus. 



Ich konnte es kaum fassen. Ich kam in letzter Zeit zwar nicht oft ans Wasser, doch dieser Abend mit diesem Fisch entschädigte so einiges. Eines ist klar, das Wissen, welches ich mir für die Prüfungen anhäufen musste, hat jetzt einige Zeit Platz zu machen! Platz für Gedanken an diesen Traum von Fisch!

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